Pilotbetrieb Heisshof
Energetische Verwertung bzw. Weiterverarbeitung von Kartoffelschälabfällen

LANDKREIS: München
REGIERUNGSBEZIRK: Oberbayern
WEITERE INFORMATIONEN:
DATEN UND FAKTEN

BETRIEBSNAME: Heisshof
BETRIEBSFORM: Haupterwerb
WIRTSCHAFTSWEISE: Konventionell
ARBEITSKRÄFTE: je nach Saison ca. 10 bis 15 Mitarbeiter
BETRIEBSGRÖSSE: ca. 100 ha Ackerland
BETRIEBSZWEIGE: Kartoffel- und Zwiebelanbau und Weiterverarbeitung der Kartoffeln in der Heisshof Schälkartoffeln GmbH, Direktvermarktung, Photovoltaikanlage
VERMARKTUNG: an B2B-Kunden, Verarbeitungsbetriebe, Kantinen, Großküchen und Gastronomie; Direktvermarktung ab Hof
Kartoffelspezialisten mit eigener Verarbeitung

Der Heisshof im Landkreis München blickt auf eine über 500-jährige Geschichte zurück und befindet sich seit 1905 in Familienbesitz. Seit den 1960er-Jahren hat sich der Betrieb auf den Kartoffelanbau spezialisiert, später kam die Zwiebel in die Fruchtfolge. Ein entscheidender Schritt in der Betriebsentwicklung war die Einrichtung eines eigenen Schälbetriebs Anfang der 1990er-Jahre, nachdem ein regionaler Verarbeiter geschlossen hatte. Damit reagierte die Familie unternehmerisch auf eine drohende Absatzkrise und legte den Grundstein für ein Betriebsmodell, bei dem Anbau, Verarbeitung und Vermarktung aus einer Hand erfolgen. Aus diesem stetig wachsenden Betriebszweig entstand 2015 die mit der Heisshof Landwirtschaft eng verknüpfte Heisshof Schälkartoffeln GmbH.
Hier geht's zum Video-Portrait des Heisshofs:
Heute wird der landwirtschaftliche Betrieb von Elisabeth Widmann gemeinsam mit Vater Mathias geführt, während Schwester Katharina Fichtner und Mutter Christine den Schälbetrieb verantworten. Unterstützt wird die Familie von weiteren Generationen und einem engagierten Team von 15 Mitarbeitenden. Die Heisshof Schälkartoffeln GmbH beliefert Großküchen, Gastronomie und Feinkostbetriebe im Raum München mit täglich frisch verarbeiteten Kartoffelprodukten.
„Kartoffeln zu schälen war vor 30 Jahren genauso mutig und innovativ wie unser jetziges Projekt. Wir sind damals gestartet ohne Vorbilder, einfach mit der Bereitschaft, es auszuprobieren. Es hat funktioniert, weil wir ständig optimiert, an Stellschrauben gedreht und auch Rückschläge in Kauf genommen haben.“ - Katharina Fichtner und Elisabeth Widmann




Umgang mit Nebenströmen: Was passiert in Zukunft mit den Schälabfällen?
Täglich entstehen im Schälprozess große Mengen an organischen Reststoffen – Schalen und mängelbehaftete Kartoffeln, die bislang lediglich als Wildfutter verwendet werden. Die Handhabung dieser Abfälle ist arbeitsintensiv und stellt die Betriebsleiterinnen schon länger vor logistische und ökologische Herausforderungen. Eine energetische Verwertung in Biogasanlagen kommt nicht infrage, da die Ausbringung der Gärreste auf den eigenen Flächen aus phytosanitären Gründen untersagt ist.
Die Idee: Aus den Schälresten soll nun ein hochwertiges, lagerfähiges Produkt entstehen. Ziel ist nicht nur die Reduzierung von Lebensmittelverschwendung, sondern mittelfristig auch der Aufbau eines neuen Betriebszweiges, der wirtschaftliche Stabilität schafft und auf zukünftige Herausforderungen flexibel reagieren lässt.
Der Weg zur Umsetzung ist anspruchsvoll. Da es kaum vergleichbare Projekte gibt, gestaltet sich die Wirtschaftlichkeitsberechnung schwierig. Klassische Kalkulationen sind nicht möglich, ohne zu wissen, welches Endprodukt tatsächlich entsteht. Katharina Fichtner bringt es auf den Punkt:
„Für unser Projekt eine Kalkulation aufzustellen war kaum möglich. Wir wussten ja nicht, was am Ende dabei herauskommt. Jeder Investor hätte das vermutlich abgelehnt, weil unklar ist: Welches Produkt entsteht eigentlich? Lässt sich der Abfall überhaupt weiterverarbeiten oder bleibt er schlicht ein Futtermittel? Und gibt es dafür überhaupt einen Markt?“ – Katharina Fichtner
Trotz aller Unsicherheiten entschieden sich die Schwestern, das Projekt umzusetzen. Für die Umsetzung ihrer Idee greifen die Betriebsleiterinnen auf handelsübliche Maschinen zurück, die in enger Abstimmung mit Technikern zu einer individuellen Lösung kombiniert wurden.




Dranbleiben trotz Alltagsgeschäft
Die beiden Gründerinnen berichteten, dass es im intensiven Betriebsalltag oft schwer fällt, neue Projekte konsequent voranzutreiben, vor allem, wenn die Ergebnisse nicht sofort greifbar sind und viele Unbekannte im Spiel sind. Genau hier setzte das Coaching an: Es schaffte Verbindlichkeit, Struktur und einen geschützten Raum für strategisches Arbeiten abseits des Tagesgeschäfts. Die regelmäßigen Treffen mit ihrem Coach bieten nicht nur eine strukturierte Prozessbegleitung, sondern auch einen entscheidenden Impuls dranzubleiben.
„Man bleibt einfach eher dran, weil man weiß, beim nächsten Coaching-Treffen will man auch was vorzeigen können.“ – Elisabeth Widmann
Klarheit durch Analyse
Im Rahmen des Coachings wurde zunächst eine umfassende Analyse der Betriebsstruktur durchgeführt. Ziel war es, vorhandene Schwachstellen zu identifizieren und Entwicklungspotenziale von der internen Organisation über technische Investitionen bis hin zur wirtschaftlichen Planung der kommenden Jahre sichtbar zu machen. Die daraus entstandene IST-Analyse bildete für die beiden Schwestern eine fundierte Grundlage für strategische Entscheidungen und schuf zeitliche wie gedankliche Freiräume für die Umsetzung geplanter Vorhaben.
Besonderes Augenmerk lag auf der betriebswirtschaftlichen Situation: Hier konnten gemeinsam mit dem Coach relevante Stellschrauben definiert werden, die nicht nur das neue Projekt voranbringen, sondern zur langfristigen Stabilisierung und Weiterentwicklung des gesamten Betriebs beitragen.
Die beiden Schwestern planen auch nach Abschluss des Projektes gemeinsam mit ihrem Coach auf regelmäßige betriebliche Auswertungen und Plan-Ist-Vergleiche als Grundlage für vorausschauendes, unternehmerisches Handeln und gezielte Investitionen in die Zukunft zu setzen.




Technik, tüfteln und viel Eigeninitiative
Der nächste Schritt ist nun die vollständige Vernetzung und Zusammenschaltung der einzelnen Prozessabschnitte und Komponenten. Erste Proben des abgepressten Substrats wurden bereits an Labore geschickt, um Nährstoffgehalt und Eignung als Dünger oder Futter zu prüfen. Die Ergebnisse dieser Analysen bilden die Grundlage für die weitere Ausrichtung der Produktentwicklung. Ziel ist es, durch diese Innovation nicht nur Ressourcen besser zu nutzen, sondern auch die Resilienz des Heisshofs zu stärken und zukunftsfähige Geschäftsmodelle in der Landwirtschaft zu erproben.
„Das Coaching hat uns nicht nur persönlich gestärkt, sondern auch geholfen, unsere Investitionen fundierter abzusichern.“ – Katharina Fichtner
Das Beispiel zeigt: Durch gezielte Beobachtung, Initiative und konsequente Umsetzung kann ein neuer, nachhaltiger Betriebszweig entstehen. Was es dazu braucht ist Mut, Geduld und gezielte Unterstützung.
„Gerade wenn man im Alltag abschweift, hilft es enorm, jemanden zu haben, der einen wieder auf den Hauptweg zurückbringt.“ – Katharina Fichtner über die strukturgebende Begleitung
Das NEU.LAND. Pilotprojekt "Coaching in der Gründungsphase"
Katharina Fichtner und Elisabeth Widmann nehmen am NEU.LAND. Pilotprojekt „Coaching in der Gründungsphase“ teil. Das Projekt hat zum Ziel, landwirtschaftliche Betriebe beim Aufbau neuer, innovativer Betriebszweige durch Gründer-Coaches und Fachexperten zu unterstützen. Dieser Prozess wird von der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) wissenschaftlich begleitet, um die Rolle und Bedeutung des Betriebscoachings in der Gründungsphase zu analysieren und zu bewerten.
Neugierig, welche Betriebe noch am Projekt teilnehmen?
Hier geht’s zur Übersichtsseite des Pilotprojekts „Coaching in der Gründungsphase“:
Übersicht Pilotbetriebe